Wie können Restaurants klimafreundlicher werden?
Zuhause können wir entscheiden, wie klimabewusst wir uns ernÀhren. Aber wie geht das in Restaurants? In England geht ein Restaurant neue Wege
Bildnachweis: Jay Wennington
Zuhause können wir relativ gut kontrollieren, wie klimabewusst wir uns ernĂ€hren. Aber beim Besuch von Restaurants, Kantinen oder Mensen ist es deutlich schwieriger zu ĂŒberblicken, was genau auf dem Teller landet.
Das vegetarische Restaurant The Canteen in Bristol in England geht neue Wege: Seit Juli 2022 wird auf der Karte der geschĂ€tzte CO2-FuĂabdruck pro Portion abgebildet, zusammen mit einem einfachen Ampel-System und dem Vergleich zu einem Burger mit Rindfleisch. In einem Blog-Post gibt es ein Beispiel mit der aktuellen Karte und etwas Hintergrund ĂŒber die Zusammenarbeit mit der veganen Organisation Viva! und der Daten-Plattform MyEmissions. Ebenfalls interessant sind dieser englische Artikel mit Stimmen von GĂ€sten und dem Personal.
Ich finde die Aktion interessant, weil sie an einem möglichen Konflikt ansetzt: Viele Menschen versuchen umweltbewusst zu leben und Entscheidungen so zu treffen, dass sie unseren Planeten nicht ĂŒbermĂ€Ăig schĂ€digen. Der Hinweis im MenĂŒ bringt hier Transparenz, ganz Ă€hnlich wie ich es hier im Blog versuche. Auf der anderen Seite möchten viele bei einem Restaurant-Besuch entspannen und nicht stĂ€ndig an die Krisen unserer Welt erinnert werden. Das ist verstĂ€ndlich, aber auch jetzt gibt es fĂŒr Restaurants Pflichten zur Bereitstellung bestimmter Informationen - zum Beispiel werden in einigen LĂ€ndern zusĂ€tzlich die Kalorien pro Portion angegeben und in der Schweiz ist es notwendig, die geographische Herkunft des Fleisches zu benennen. Der CO2-FuĂabdruck auf der MenĂŒ-Karte ist nur ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Labels und Kennzeichnung sind hierfĂŒr gute AnsĂ€tze. Sie schreiben nicht vor, was wir zu tun und zu lassen haben. Sie sorgen lediglich fĂŒr mehr Transparenz. Laut der britischen Organisation E.Mission wĂŒrden es drei Viertel der Bevölkerung befĂŒrworten, wenn Restaurants den CO2-FuĂabdruck jedes Gerichts auf der Karte erwĂ€hnen (Quelle).
Inzwischen gibt es verschiedene wissenschaftliche Studien, die sich mit dem Effekt von der Kennzeichnung des CO2-FuĂabdrucks auf die Entscheidungen von Restaurant-Besuchern beschĂ€ftigen.
Eine Gruppe von Studien beschĂ€ftigt sich mit dem Effekt von besserer Kennzeichnung. In einem in Nature Climate Change erschienenem Artikel wird gezeigt, wie Verbraucherinnen und Verbraucher zunĂ€chst relativ wenig Wissen ĂŒber den CO2-FuĂabdruck ihrer ErnĂ€hrung haben, aber ein einfaches Ampel-System dazu fĂŒhrt, dass sie systematisch nachhaltigere Entscheidungen treffen (Camilleri et al. 2019). Andere Studien zeigen, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher auch relativ leicht an ein solches Ampel-System erinnern und es auch schnell und unter Zeitrdruck einsetzen können (Panzone et al. 2020). Es entstehen gerade weitere Studien in diese Richtung, zum Beispiel im Rahmen einer Kooperation der UniversitĂ€t Oxford mit dem Kantinen-Betreiber Compass Group, die in einem Artikel in The Guardian erklĂ€rt wird. Es gibt auch wissenschaftliche Erfahrungsberichte, wie man solche Anpassungen in Restaurants langfristig umsetzen kann (Pulkkinen et al. 2015).
Eine andere Gruppe von Studien beschĂ€ftigt sich mit subtilen Unterschieden zu Standard-Optionen und der Reihenfolge der Angebote. In der Verhaltensforschung wird dies als nudging, also als Anstupsen, bezeichnet. Das zentrale Element hierbei ist, dass prinzipiell alle Optionen verfĂŒgbar sind - es geht also etwa nicht um das Entfernen von Angeboten mit Fleisch, sondern nur darum, wie prominent diese im Vergleich zu fleischlosen Alternativen zu sehen sind. Eine Studie von Verena Kurz zeigt zum Beispiel, dass die CO2-Emissionen in einem Restaurant um 5% sinken können, wenn man vegetarische Speisen stĂ€rker in den Vordergrund rĂŒckt (Kurz 2018). Andere wissenschaftliche Berichte kommen zu einem Ă€hnlichen Effekt (Gravert und Kurz 2019). Eine interessante Arbeit von Julie de Vaan und anderen Forscherinnen und Forschern beschĂ€ftigt sich mit der Standard-Option: Sie vergleicht eine MenĂŒ-Karte, bei der Gerichte mit Fleisch auch optional vegetarisch abgewandelt werden können, mit einer anderen MenĂŒ-Karte, bei der die vegetarischen Optionen der Standard sind und zusĂ€tzlich mit Fleisch ergĂ€nzt werden können (de Vaan 2019). In der zweiten Variante mit einem standardmĂ€Ăig vegetarischem MenĂŒ mit zusĂ€tzlichen Fleisch-Optionen treffen die Restaurant-Besucherinnen und -Besucher dabei klimafreundlichere Entscheidungen - es macht also einen Unterschied, was der Standard ist. Zu einem Ă€hnlichen Ergebnis kommen auch andere Arbeiten, die sich spezifisch mit Desserts beschĂ€ftigen (Bergeron et al. 2019). Es gibt auch Studien, die betonen, dass der Effekt der Standards auch vom bisherigen Essverhalten der Restaurant-Besucherinnen und Besucher abhĂ€ngt (Bacon und Krpan 2018). Eine Studie aus Kanada wĂ€hlt einen interessanten Blickwinkel: Campbell-Arvai et al. 2012 zeigen, dass ansprechend gestaltetere fleischlose Optionen bereits dazu beitragen, dass klimabewusstere Entscheidungen getroffen werden.
Eine Reihe von Studien versuchen die StĂ€rke des Effekt dieser Eingriffe zu bemessen. Interessanterweise werden hier in vielen Arbeiten UniversitĂ€ts-Mensen als Untersuchungs-Gegenstand herangezogen. In einer Studie der Uni Oxford sieht man, dass der Anteil der verkauften Gerichte mit Fleisch um rund 20% sinkt, wenn die VerfĂŒgbarkeit von fleischlosen Alternativen erhöht wird (Pechey et al. 2022). In einer weiteren Arbeit berichten Andersson und Nelander 2021, dass der Anteil der verkauften Gerichte mit Fleisch um etwa 11% und die durch das Essen verursachten CO2-Emissionen um rund 6% sinken, wenn im Angebot der Mensa eine vegetarische Option als erstes genannt wird. Bei einem Versuch mit einem Ampel-System findet man etwa 3-4% tiefere CO2-Emissionen (Brunner et al. 2018). In einer kĂŒrzlich in PLOS Climate veröffentlichten Studie berichtet eine Gruppe der Uni WĂŒrzburg von 13-32% tieferen Emissionen abhĂ€ngig von der Art der Ănderung des MenĂŒs (Betz et al. 2022).
Insgesamt sehen wir also eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass klimafreundlichere ErnĂ€hrung nicht nur von jedem und jeder einzelnen abhĂ€ngt, sondern auch davon, ob wir transparente Informationen erhalten und welche Option der Standard im MenĂŒ sind (siehe auch die Meta-Studie von Potter et al. 2021, die ĂŒber 70 einzelne Studien zusammenfasst). Es geht dabei nicht darum, etwas wegzunehmen: In allen untersuchten Arbeiten finden sich auf den MenĂŒ-Karten weiterhin Optionen mit Fleisch.
Restaurants sind dabei ein wichtiger Faktor, weil sie fĂŒr alle Besucherinnen und Besucher beeinflussen, wie leicht oder schwer es ist, sich dort klimafreundlich zu verhalten. Wer die Karte fĂŒr ein Restaurant gestaltet, beeinflusst also jeden Tag die Entscheidungen vieler und verfĂŒgt daher ĂŒber einen viel gröĂeren Hebel fĂŒr einen Beitrag gegen die Klimakrise als jemand, der nur fĂŒr sich selbst kocht. Einige praktische Empfehlungen aus diesen wissenschaftlichen Studien sind dabei sehr leicht umzusetzen:
- Es hilft, wenn klimafreundliche Optionen der Standard im Restaurant sind. Was sind die wichtigsten Angebote auf der Karte und im Mittagstisch? Gibt es Gerichte, die standardmĂ€Ăig vegetarisch und mit einem optionalen Fleisch-Zusatz angeboten werden können? Gibt es eine Stelle im MenĂŒ mit einer Empfehlung des KĂŒchenchefs oder der KĂŒchenchefin, wo klimafreundliche Gerichte integriert und betont werden können?
- Labels und Ampel-Systeme funktionieren und nehmen niemandem etwas weg, sondern schaffen Transparenz.
- Ein eigener Abschnitt in der Karte mit vegetarischen oder veganen Gerichten ist kontra-produktiv, weil es diese Angebote zur Seite drĂ€ngt und es âzuâ einfach ist, darĂŒber hinwegzugehen ohne sich ĂŒberhaupt damit zu beschĂ€ftigen. Stattdessen ist es besser, die klimafreundlicheren vegetarischen und veganen Gerichte direkt neben Gerichten mit Fleisch zu zeigen (z.B. beides gemeinsam in Abschnitten wie âaus dem Ofenâ oder âPastaâ).
Du arbeitest in einem Restaurant? Denke einmal an eure tĂ€glichen Kundschaft und welchen Effekt es hĂ€tte, wenn sie 5% klimafreundlicher essen wĂŒrden. Du wirst sehen: Das ist ein riesiger Hebel, viel gröĂer als eine viel radikalere Umstellung deines eigenen Verhaltens.